Reise um die Erde – Prag – Stadt der hundert Türme

Der Abend senkte sich sanft über die Landschaft, als wir Budapest hinter uns ließen. Unser fliegendes Fahrrad nahm leise Fahrt auf, die Pedale bewegten sich wie von selbst, und der Strom der Luft führte uns nordwestwärts. Unter uns wand sich die Donau, bis sie sich, wie ein geheimer Bote, in andere Flüsse ergoss. Schließlich erschien in der Ferne ein schimmerndes Band – die Moldau –, das sich durch ein Tal von solcher Anmut schlängelte, als hätte ein Maler ihre Linien entworfen.

Und dort, an ihren Ufern, erhob sich Prag, die Stadt der hundert Türme, deren Dächer im Licht des späten Tages glühten wie Kupfer im Ofen eines Goldschmieds. Wir folgten dem Lauf der Moldau und näherten uns der ehrwürdigen Karlsbrücke, jenem gotischen Wunderwerk aus dem 14. Jahrhundert. Die steinernen Bögen spannten sich kühn über den Fluss, flankiert von barocken Heiligenstatuen, die wie stille Wächter die Jahrhunderte überdauert hatten. Von hier aus stieg der Blick hinauf zur mächtigen Prager Burg, ein Ensemble aus Palästen, Kathedralen und Höfen, in dessen Herzen die gotische Veitsdom-Silhouette wie ein Fingerzeig zum Himmel ragte.

Unser Flug führte uns weiter zum Altstädter Ring, dem pulsierenden Herz der Stadt. Inmitten des Platzes thronte das Rathaus mit seiner berühmten astronomischen Uhr, die seit dem Jahre 1410 die Stunden schlägt und deren goldene Zeiger Planetenbahnen und Mondphasen in einem mechanischen Ballett darstellen. Gleich daneben leuchteten die Giebelhäuser in Pastellfarben, als würden sie mit sanftem Stolz die Geschichten von Kaufleuten, Königen und Revolutionären erzählen.

Vom Altstädter Ring schwenkten wir zum Wenzelsplatz, einer breiten Prachtstraße, wo sich die Fassaden der Belle Époque aneinanderreihten wie Perlen auf einer Kette. Einst war er Marktplatz für Pferde, heute ist er Bühne der Geschichte, Zeuge von Demonstrationen, Feierlichkeiten und Umbrüchen.

Wir glitten tiefer, schwebten über das Jüdische Viertel, wo die alten Synagogen – jede mit ihrer eigenen Geschichte – und der ehrwürdige Friedhof von einer anderen Zeit erzählten. Nicht weit davon stand das elegante Gemeindehaus, ein Jugendstiljuwel mit goldenen Ornamenten und gläserner Pracht, während der Pulverturm finster und stolz an die mittelalterliche Stadtbefestigung erinnerte.

Doch Prag ist nicht nur steinerne Geschichte – es lebt auch in der Musik. Hier erklangen die Töne Antonín Dvořáks, dessen Melodien den Geist Böhmens in die Konzertsäle der Welt trugen.

Hier dirigierte Mozart selbst und ließ 1787 im Ständetheater die Uraufführung seines Don Giovanni feiern – von den Pragern mit solcher Begeisterung aufgenommen, dass er die Stadt „meine geliebte“ nannte. Und hier entwarf Bedřich Smetana jene Tonfolge, die wie ein klingender Spiegel der Moldau ist – Má vlast, „Mein Vaterland“, mit dem unvergesslichen Satz Die Moldau.

„Prag“, sagte mein Gefährte leise, „ist keine Stadt, die man besucht. Es ist eine Stadt, die man liest – Seite für Seite, Turm für Turm, Note für Note.“

Wir ließen die Pedale langsam kreisen, folgten noch ein Stück dem silbernen Band der Moldau, und die Klänge Smetanas schienen im Fahrtwind mitzuschwingen. Dann trug uns das fliegende Fahrrad weiter – hinaus, zum nächsten Kapitel unserer Reise.

Reise um die Erde – Budapest – Königin an der Donau

Der Morgen dämmerte in blassen Goldtönen, als wir unser fliegendes Fahrrad erneut bestiegen. Die Pedale knarrten leise, die Schwingen unserer leichten Konstruktion entfalteten sich im Sonnenlicht wie die Flügel eines gigantischen Schmetterlings. Der Wind trug uns ostwärts, über Felder, Wälder, und den endlosen Spiegel der Donau, deren Wasser wie geschmolzenes Glas dahinfloss.

Bald erhob sich am Horizont eine Silhouette, die so majestätisch wirkte, dass man meinen konnte, eine Stadt aus Marmor und Musik schwebe auf dem Strom: Budapest, die unangefochtene Königin an der Donau.

Von Norden her kommend, bot sich uns ein Anblick, der selbst die kühnsten Erwartungen übertraf: Auf der einen Seite, hoch und würdevoll, das Burgviertel von Buda, mit der gotischen Matthiaskirche und der Fischerbastei, deren weiße Türme wie aus einem Märchenbuch Wellen aus Stein formten. Auf der anderen Seite, jenseits der Kettenbrücke, breitete sich Pest aus – pulsierend, elegant, gekrönt vom imposanten Parlamentsgebäude, dessen neugotische Fassaden im Morgendunst glühten wie von innen erhellt.

Wir kreisten einmal über der Kettenbrücke, diesem Meisterwerk aus Eisen und Stein, und spürten in den Seilen fast die Schwingung vergangener Jahrhunderte. Darunter zog die Donau träge, doch unermüdlich, und trennte – oder besser: verband – die beiden Hälften dieser einzigartigen Metropole.

Ich konnte nicht umhin, an jene Visionäre zu denken, die diese Stadt prägten: Könige, Architekten, Komponisten – und all jene stillen Träumer, die wie König Ludwig einst davon geträumt haben, die Welt aus der Luft zu sehen. Vielleicht, so dachte ich, hätte auch er hier verweilt, auf einem Balkon mit Blick auf den Strom, und sich vorgestellt, wie er in einer Maschine durch die Lüfte über die Dächer der Stadt gleitet.

Von oben war Budapest wie eine Partitur: das gleichmäßige Blau der Donau als tiefer Grundton, die Kuppeln und Türme als aufsteigende Melodielinien, das unruhige Straßenleben als sanftes Tremolo in der Ferne.

„Hier“, sagte mein Gefährte, während wir eine weite Schleife zogen, „hier tanzt Geschichte im Walzertakt, und jede Brücke ist ein Taktstrich zwischen den Jahrhunderten.“

So hielten wir einen Augenblick inne, ließen die Pedale ruhen und schwebten still über der Stadt.

Reise um die Erde – Wien und der dritte Mann

Der Morgen begann leise. Ein matter Sonnenschimmer legte sich über die Dächer, und wir fanden uns im Café Central wieder, diesem Ort, an dem selbst die Stühle Geschichten erzählen. Zwischen Marmorsäulen und dem gedämpften Klingen von Löffeln im Porzellan stand er vor uns – der Ober, ernst und würdevoll, als trüge er nicht nur Tabletts, sondern auch Erinnerungen.

Unser „Halbspänner“ dampfte, die Milch vermischte sich mit der Schwere des Kaffees – und plötzlich begann er zu sprechen. Von Zeiten, die nicht golden waren, sondern grau. Von den Jahren nach dem Krieg, als Wien nicht Tanz, sondern Schachbrett war – besetzt von Alliierten, durchzogen von Grenzen, ein Spielfeld der Geheimdienste.

„Damals,“ sagte er, „da war Wien mehr Schatten als Licht. Spione im Prater, russische Offiziere im Café, und in den Gassen – ein Flüstern, das nicht verstummen wollte.“

Er lächelte kaum, als er von Orson Welles sprach, von Harry Lime, dem schwarzen Engel der Stadt. „Der dritte Mann“, murmelte er, „das war nicht nur Kino. Das war Wien. Unsere Angst, unsere List, unsere Musik.“ Und als hätte die Stadt selbst ihn bestätigen wollen, erklang leise im Hintergrund das weltberühmte Zithermotiv – ein Tonband aus Erinnerung, das nie zu enden scheint.

Wir sahen uns an und wussten: Wien hatte uns noch nicht losgelassen. Also beschlossen wir zu bleiben. Ein Tag mehr, ein Schritt tiefer in die Schatten.

Die „Dritte-Mann-Tour“ führte uns fort von den hellen Fassaden zum Prater mit dem Riesenrad und hinein in die Unterwelt der Stadt. Unter dem Karlsplatz wandelten wir durch Kanäle, die rochen nach Geschichte und kaltem Stein. Tropfen fielen wie Metronome von den Decken, und irgendwo schien das Echo der Filmkamera mitzuschwingen. Wir standen unter der Secession an jener Stelle, wo der Ottakringer Bach in den Untergrund mündet – ein Fluss, der sein Gesicht verloren hat, verborgen, verschluckt von der Stadt.

„Hier,“ sagte unser Führer, „hier spielte sich ein Teil der Wahrheit ab. Schmuggel, Schwarzmarkt, Verschwinden.“

Es war, als stünden wir mitten in einer Kulisse, und doch war alles real – das Tropfen, das Klingen, das Gefühl, beobachtet zu werden. In den Schatten der Tunnel konnte man fast die Silhouette von Harry Lime erkennen, wie er mit hochgeschlagenem Kragen im Halbdunkel verschwand.

Als wir wieder auftauchten, blendete uns das Tageslicht. Wien lag über uns wie eine zweite Stadt – golden, lebendig, doch mit einem Grundton, der blieb: das Zithermotiv, melancholisch und unaufhaltsam, wie der Herzschlag einer Vergangenheit, die nie ganz vergeht.

„Wien,“ sagte mein Gefährte, „ist nicht nur Walzer. Es ist auch das Flüstern im Untergrund.“

Und ich verstand: Diese Stadt lebt von ihren Schichten – von der Glorie und den Abgründen, vom Glanz und dem Grauen. Wer nur die Oberfläche sieht, hat Wien nie wirklich berührt.

Am Nachmittag führte uns dieser Gedanke hinaus, an den Rand der Stadt, zum Zentralfriedhof. Hier, wo Alleen von Zypressen den Himmel in Stücke schneiden, liegt Wien in seiner stillsten Form. Das Tor aus dunklem Stein empfing uns wie ein Schlussakkord. Wir gingen vorbei an den Ehrengräbern – Beethoven, Schubert, Brahms, Strauss – als hätte die Musik selbst hier einen Platz gefunden, um auszuruhen. Der Wind spielte leise in den Kränzen, und in der Ferne läutete eine Glocke, dumpf, beinahe zeitlos. Auf den Wegen mischten sich Touristen mit Wienern, die ihren Toten Wasser und Worte brachten. Und zwischen den Grabsteinen stand sie noch immer, diese Stadt – mit all ihrer Kunst, ihrem Schmerz, ihrer Vergänglichkeit.

„Vielleicht,“ sagte mein Gefährte, „ist der Zentralfriedhof die ehrlichste Version von Wien. Kein Prunk, der nicht irgendwann zu Staub wird.“

Als wir das Tor wieder hinter uns ließen, lag ein seltener Friede in der Luft. Wir hatten das Herz und den Schatten dieser Stadt gesehen – über und unter der Erde. Und irgendwo, ganz leise, spielte noch immer eine Zither.