Ein Dach für den Schuppen in Irgendwo

Am kleinen Lokschuppen der Schmalspurbahn, dort wo Irgendwo nach Holzleim, Öl und leiser Erwartung duftet, hat sich wieder etwas getan.

Die Fenster, Türen, das Fachwerk des Schuppens und seines schmalen Anbaus sind frisch mit der Airbrush lackiert – feine Farbschichten, die sich wie ein Hauch auf das Material legen.

Nun sitzen sie passgenau in ihren Rahmen, die Fensterscheiben noch makellos klar, so rein, als würden sie die Welt von Irgendwo zum ersten Mal betrachten. Ein Moment unberührter Neubeginn, der nie lange anhält, denn Staub, Fingerabdrücke und die Patina der Zeit werden früher oder später ihren Anspruch erheben.

Vor dem Lokschuppen steht ein kleiner Lkw-Anhänger. Darauf ruht das erste Dachteil – gewaltig und schwer, sicher verzurrt, als lausche es selbst auf den Moment, an dem es endlich aufs Gebäude gehoben wird. Bald wird es seinen Platz über dem Schuppen einnehmen, den ersten Schatten werfen und den Bau ein Stück mehr wie ein echtes Zuhause wirken lassen.

Währenddessen rattert im 3D-Drucker das zweite, noch fehlende Dachteil seinem Entstehen entgegen. Schicht für Schicht wächst es heran, ein stiller Prozess, der dennoch voller Erwartung steckt.Und so steht Irgendwo wieder an diesem vertrauten Punkt zwischen Entwurf und Vollendung: ein Gebäude, das atmet, ein Dach, das wartet, und eine Werkstatt, die nie ganz zur Ruhe kommt.

Die neuen Fahrkartenautomaten bei der Bahn

Aus der Reihe Gespräche unter Freunden

„Du Motte, ich bin jetzt im Praktikum.“ „Ach Rabe, wo denn?“ fragt Motte. „Beim Lokalradio Irgendwo. Ich habe auch schon einen ersten Termin gehabt und ein Interview geführt.“ „Interessant. Und mit wem?“

„Mit einem der neuen go.Rheinland1) Fahrkartenautomaten im Kölner Hauptbahnhof. Dafür werden dort und an weiteren Bahnhöfen sogar kostenlose Schulungungen angeboten. Man muss sich nur verbindlich anmelden.“ „Ach, ein Interview mit einem Automaten? Erzähl!“ „Ich habe alles aufgenommen, mein Beitrag für das Lokalradio Irgendwo ist fertig:“

In der großen Halle des Kölner Hauptbahnhofs steht er rechtzeitig vor Weihnachten da, glänzend wie ein frisch poliertes Raumschiff und leise summend vor technischer Selbstzufriedenheit: der neue go.Rheinland-Fahrkartenautomat. Anlass genug, einmal nachzufragen, wie es ihm im täglichen Tarifchaos so ergeht. Ich drücke auf den Bildschirm, er piepst freundlich – und schon beginnt unser ungewöhnliches Gespräch.

„Schön, dass Sie vorbeischauen“, sagt der Automat ohne Umschweife. „Wobei – eigentlich habe ich keine Wahl. Ich bin ja festgeschraubt.“ Er klingt dabei überraschend gelassen, fast humorvoll. Ich frage, wie er sich als modernstes Objekt des Bahnsteigs fühlt. Der Automat surrt kurz und sagt dann mit hörbarem Stolz: „Ich habe WLAN. Kartenleser. Kontaktlos. Mehrsprachigkeit. Ich akzeptiere sogar Bargeld, wenn es nicht aussieht wie ein Souvenir aus der Waschmaschine. Also ja: Ich bin ziemlich gut ausgestattet.“

Er klingt zufrieden – und doch schwingt etwas Melancholie mit. „Wissen Sie,“ sagt er, „viele Menschen haben Angst vor mir. Sie schauen mich an, als wäre ich irgendeine außerirdische Rechenmaschine. Dabei will ich doch nur Tickets verkaufen.“ Ich hake nach: „Was überfordert die Menschen denn am meisten?“ „Oh“, antwortet er und die LED-Leiste leuchtet warm auf, „die Erwartungshaltung! Die Leute denken: Taste drücken, Ticket raus – fertig. Aber während sie ungeduldig auf meinem Bildschirm klopfen, muss ich Tarifzonen berechnen, Verbünde sortieren, und entscheiden, ob jemand wirklich nach Bonn möchte oder versehentlich ‚Bonn West‘ meint.“

Ich frage, welche Begegnungen ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind. Er seufzt einmal über seine Lautsprecher. „Da ist dieser Mann mit dem Marmeladenglas voller Münzen. Jeden Morgen. Er kippt das ganze Glas in meinen Einwurfschlitz und schaut mich an, als erwarte er ein Wunder. Ich gebe mein Bestes, aber manchmal habe ich einfach kein Rückgeld mehr. Und dann beschimpft er mich. Dabei kann ich doch nichts dafür!“

Ich erkundige mich nach den kostenlosen Schulungen, die go.Rheinland für Fahrgäste anbietet. Der Automat klingt plötzlich regelrecht enthusiastisch. „Endlich! Endlich lernen die Leute, dass die Lupe nicht bedeutet: ‚Zeig mir die schnellste Verbindung nach Hogwarts.‘ Und dass ‚Start‘ nicht heißt, dass ich abhebe. Wissen Sie, jeder geschulte Mensch ist ein Mensch weniger, der mit Handschuhen auf meinen Touchscreen einschlägt.“ „Und wenn trotzdem etwas schiefgeht?“, frage ich. „Dann piepse ich freundlich“, sagt er. „Das verwirrt die meisten so sehr, dass sie einfach von vorne anfangen. Ich nenne das meinen diplomatischen Modus.“

Zum Abschluss frage ich ihn, was er sich für seine Zukunft im Rheinland wünscht. Der Automat summt kurz und antwortet dann erstaunlich sanft: „Weniger zerkratzte Displays. Weniger Menschen, die verzweifelt versuchen, einen völlig zerknitterten 50-Euro-Schein in mich hineinzustopfen. Und bitte – bitte – niemand soll mich mehr nach ICE-Tickets fragen. Ich bin ein Nahverkehrsautomat! Wenn ich Fernverkehr verkaufen könnte, hätte man mir wenigstens einen Kaffeeauswurf spendiert.“

Er paust kurz, dann sagt er leise: „Ich bin kein Monster. Ich bin ein Dienstleister. Ich will helfen. Aber wenn man mich schlägt, schreit oder beschuldigt – ja, dann stürze ich eben mal ab. Auch ein Automat hat Gefühle … na ja, Systemprozesse.“ Als ich gehe, piepst er zum Abschied. Vielleicht ein Dankeschön. Vielleicht eine Fehlermeldung. Vielleicht beides. Wer am Kölner Hauptbahnhof eine Fahrkarte nach Bonn löst, sollte jedenfalls wissen: Hinter dem Ticket steckt ein kleiner, metallischer Philosoph mit WLAN und Würde.

Und während ich den Bahnsteig verlasse, denke ich wehmütig an die alten Zeiten, bevor Automaten alles regierten, als die Kölner Heinzelmännchen noch heimlich für Ordnung und Sauberkeit sorgten: „Wie war es doch vordem…“ –damals,

als Fahrkarten noch von Menschen verkauft wurden und ein Lächeln mehr zählte als ein Touchscreen-Piepen.“

1) https://wir.gorheinland.com/medienportal/alle-inhalte/einzelansicht/kostenlose-schulungen-fuer-neue-fahrkartenautomaten/

Wo Regelspur und Schmalspur sich begegnen

Während im 3D-Design-Studio von Irgendwo der Wasserturm weiter Form annimmt – jener Turm, der dem historischen Bau in Hennef-Heisterschoß nachempfunden ist, einem alten Wächter aus verputzten Backsteinen, der heute eine Wohnung trägt und doch seine Vergangenheit nicht verleugnet –, während dort oben an digitalen Zylindern, Fenstern und Mauerringen gefeilt wird, geht draußen, tief unten auf der Anlagenplatte, die Arbeit der Gleisbauer unbeeindruckt weiter.

Die H0-Regelstrecke wächst Meter um Meter, kühl und bestimmt, als hätte sie eine Ahnung davon, welchen Dienst sie eines Tages leisten wird. Hier, an dem Punkt, an dem sie in das zweischienige System von H0 und H0e übergeht, wird der Charakter der Bahn spürbar. Die Schwellen liegen fest, exakt gesetzt, jede von ihnen ein kleiner Taktgeber im Rhythmus des Gleisbaus. Und darüber ruhen nun die drei eisernen Schienenstränge – zwei breit, einer schmal, eng geführt, wie drei Stimmen, die gelernt haben, gemeinsam zu klingen.

Das Schotterbett ist frisch eingeschlagen, seine Körner glitzern noch ein wenig im Licht der durch das Fenster hineinschauenden Novembersonne, als würden sie den Moment feiern, in dem sie aus einem formlosen Haufen zu einer kleinen Landschaft wurden.

Die Schienen sitzen fest darin, sicher, so wie es sich für eine Strecke gehört, die Züge tragen soll – große, kleine, schwere, leise. Und während dessen suchen Gräser und Unkraut ihren Platz und machen sich breit, vorsichtig zuerst, dann mutiger, als wüssten sie genau, dass jede Bahnlinie erst durch ihr Grün wirklich zu leben beginnt.

All dies führt zu einem Ende, das zugleich ein Anfang ist: zum Prellbock am Rand von Irgendwo. Ein stiller Riese aus Filament, der die Welt begrenzt, aber nicht die Fantasie. Von hier aus könnte alles weitergehen – irgendwann, später, vielleicht. Doch vorerst steht er da, am Ende der Schienen, als wolle er sagen: „Bis hierher. Und dann sehen wir weiter.“

So wächst Irgendwo weiter, an vielen Orten zugleich – oben im digitalen Turm, unten im knirschenden Schotter. Und alles beginnt langsam zusammenzufinden.

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