Kaum hatten wir Oberpleis hinter uns gelassen, trugen uns die Strömungen des Westwinds wieder gen Rhein – jener uralte Strom, der wie eine silbern schimmernde Ader das Herz Europas durchzieht. Wir folgten seinem Lauf, und bald schon öffnete sich vor uns ein Schauspiel von solcher Anmut, dass selbst der nüchternste Geograph in Bewunderung hätte verstummen müssen.
Dort – stolz, geheimnisvoll, fast entrückt – erhob sich der Drachenfels, jener sagenumwobene Basaltkegel, der seit Äonen über das Rheintal wacht. An seinen steilen Flanken klebt, gleich einer Krone aus Stein, die ehrwürdige Drachenfelsruine, einst Bollwerk der Ritter, nun ein Monument der Romantik. Und nicht weit darunter, an geschützter Stelle über den Reben, thront die Drachenfelsburg, das neugotische Schloss mit seinen Zinnen, Erkern und Türmchen – errichtet im 19. Jahrhundert als Residenz eines preußischen Barons, gleichsam ein Traum aus Sandstein und Zeitgeist.
Unsere Blicke schweiften – wie magisch angezogen – über das weite Panorama. Von hier oben offenbarte sich das Rheintal in seiner ganzen Majestät: grüne Ufer, das silberne Band des Stromes, und inmitten desselben, wie eine vergessene Perle, die Insel Nonnenwerth, wo einst Benediktinerinnen beteten, und bis in die jüngere Vergangeheit junge Geister das Wissen der Zukunft erhalten haben.
Wie von Geisterhand gezogen, schlängelte sich unter uns die berühmte Drachenfelsbahn den Hang hinauf – eine der ältesten Zahnradbahnen Europas, in Betrieb seit dem Jahre 1883. Ihre kleinen Wagen, angetrieben vom Fleiß der Technik, erklimmen stetig das Massiv, als wollten sie den uralten Drachen selbst aufs Neue herausfordern.
Denn, so will es die Legende, sei es eben ein Drache gewesen, der einst auf dem Gipfel hauste – ein feuriges Ungeheuer, das nur durch den Mut des Ritters Siegfried bezwungen werden konnte. Das Blut des Drachens soll den Helden unverwundbar gemacht haben, so berichten die alten Sänger. Seither trägt der Fels seinen Namen – Drachenfels, der Berg des Drachens.
„Es sind nicht allein Höhenmeter, die uns den Atem rauben – es ist die Geschichte, die in jeder Fuge des Gesteins widerhallt.“
So verweilten wir mit diesem Zitat von Jules Verne einen Moment im Schweben, ehrfürchtig über diesem Ort, wo sich Natur, Mythos und Technik die Hand reichen.