Aus den silbrigen Schleiern des Morgens tauchte sie auf – Zürich, wie eine Perle gebettet zwischen sanften Hügeln, am gläsernen Wasser des Zürichsees, der in stillen Atemzügen den Himmel widerspiegelte. In der Ferne, dort, wo der Blick sich verliert, standen die Alpen wie Wächter aus Licht und Schnee. Wir ließen unser fliegendes Fahrrad sanft über den Uetliberg steigen, wo sich die Welt weit öffnete – unter uns die Stadt, durchzogen von Wasseradern, gekrönt vom schimmernden Bogen des Sees. Von hier schien Zürich nicht gebaut, sondern gewachsen, Schicht um Schicht, wie ein sorgsam gefasster Edelstein.
An der Seepromenade tanzte das Licht auf den Wellen, Boote ruhten wie träumerische Schwäne. Die Brücken der Limmat spannten sich in eleganten Schwüngen zwischen den Ufern – leise Verbindungen aus Stein, die Geschichten tragen. Auf der einen Seite das Fraumünster, wo Chagalls Glasfenster in Blau und Gold wie gefangene Träume leuchteten; gegenüber das Grossmünster, fest und klar, wie eine ernste Stimme in einem alten Duett.
Hier, so dachte ich, hätte Friedrich Dürrenmatt wohl eine Szene ersinnen können, in der Licht und Schatten um die Wahrheit rangen. Nicht weit davon hatte Richard Wagner einst im Exil seine Klänge in den Zürichsee hinausgetragen – Melodien, die noch heute in den Gassen zu schweben scheinen. Über dem Niederdorf wehten Stimmen und Düfte, während am anderen Ufer das Opernhaus in weißer Eleganz glänzte, bereit, den Vorhang zu heben. Hinter den Türmen des Landesmuseums Zürich hätte Albert Einstein einst wohl den Funken einer Idee aufgefangen – jenes Leuchten, das Raum und Zeit neu erklärte. Und irgendwo in dieser Stadt, zwischen Arkaden und Märkten, hätte Johanna Spyri die Wärme gefunden, aus der ihre Heidi geboren wurde. Heute, am stillen Ufer, liegt eine andere Stimme – Tina Turner, deren Lieder wie ferne Wellen auf dem See verhallen, kraftvoll und sanft zugleich.
Von oben war Zürich eine Komposition aus Wasser und Stein, aus klingender Gegenwart und gedämpfter Erinnerung. Wir kreisten ein letztes Mal über dem See, dessen Oberfläche im Sonnenlicht wie flüssiges Glas erstrahlte – und nahmen dann Kurs auf den nächsten Horizont, als trüge uns der Fluss selbst hinaus in die Welt.