Aufbruch am Rhein – Die Mallet erwacht

„Die Fahrtkarten bitte!“ Wer hier an Bord steigt, tritt nicht nur eine Reise durch ein wunderschönes Tal an, sondern auch durch die Zeit. Die Fahrkarten für einen entdeckungsreichen Tag liegen bereit.

Der Morgen legt noch feinen Nebel über den Rhein, als im Bahnhof Brohl-Lützing ein leises Zischen durch die kühle Luft schneidet. Es ist kein alltägliches Geräusch – es ist das Signal einer Reise, die weit mehr verspricht als bloß eine Fahrt auf Schienen.

Hier, wo sich das Wasser des Stroms und die Basaltfelsen der Vulkaneifel begegnen, beginnt das Abenteuer der Brohltalbahn, von Einheimischen liebevoll „Vulkan-Express1) genannt.

Brohltalfahrkarte

Seit 1901 windet sich diese meterspurige Schmalspurbahn durch das Tal des Brohlbachs hinauf in die Eifel. Nur 17,5 Kilometer misst ihre Strecke, doch jede Kurve birgt Geschichte: Einst als Transportweg für Basalt und Tuffstein gebaut, trägt sie heute Besucher auf einer Zeitreise zwischen Fluss und Vulkanen.

Karte Streckenverlauf Brohltal-Schmalspureisenbahn
Mallet Brohltalbahn 11sm Saint-Valery-Canal 2021-a

Mitten im Blickpunkt steht an diesem Vormittag eine ganz besondere Protagonistin: Dampflokomotive 11sm, eine Mallet-Lok aus dem Jahr 1906. Ihr Name wirkt nüchtern, doch vor dem ersten Schlag der Kolben pulsiert eine stille Kraft, die gleich in Bewegung erwacht.

Auf dem Gleis gegenüber stehen Reisende – einige lehnen neugierig über die niedrigen Bahnsteige, andere heben bereits ihre Kameras. Ein dumpfes Rumpeln kündigt den Beginn der Vorbereitung an: Die dunkelgrüne Lok wird mit Kohle befüllt, Stück für Stück verschwindet der glänzende Brennstoff im Bunker. Ein kurzer Windstoß treibt Kohlestaub in die Sonne – das Licht bricht sich in schwebenden Partikeln, als hätte jemand Sternenstaub über den Tender gestreut.

Kurz darauf öffnet sich der Wasserkrahn wie ein Arm, der der Maschine ein Lebenselixier reicht. Mit einem Schwall strömt das klare Nass in den Durst des Kessels, begleitet von einem dumpfen Gluckern. Die Luft riecht nach feuchtem Metall, Rauch und Erwartung.

Langsam wird die Lok an die wartenden Wagen herangeführt und angekuppelt – Lok und Zug sind nun eins, bereit für den Aufstieg in die Eifel.

Ein schriller Pfiff durchschneidet die Szene. Köpfe wenden sich, Kinder heben die Arme, als wollten sie mitwinken. Die 11sm antwortet mit einem kräftigen Ausstoß weißen Dampfes, der sich wie ein Banner über den Bahnsteig legt. Minuten später setzt sich der Zug in Bewegung, ruckend, dann fließend – die Räder greifen, und mit jedem Schlag der Zylinder rückt die Landschaft des Brohltals näher.

1) Website „Vulkan-Express“ https://www.vulkan-express.de/

Reise um die Erde – Prag – Stadt der hundert Türme

Der Abend senkte sich sanft über die Landschaft, als wir Budapest hinter uns ließen. Unser fliegendes Fahrrad nahm leise Fahrt auf, die Pedale bewegten sich wie von selbst, und der Strom der Luft führte uns nordwestwärts. Unter uns wand sich die Donau, bis sie sich, wie ein geheimer Bote, in andere Flüsse ergoss. Schließlich erschien in der Ferne ein schimmerndes Band – die Moldau –, das sich durch ein Tal von solcher Anmut schlängelte, als hätte ein Maler ihre Linien entworfen.

Und dort, an ihren Ufern, erhob sich Prag, die Stadt der hundert Türme, deren Dächer im Licht des späten Tages glühten wie Kupfer im Ofen eines Goldschmieds. Wir folgten dem Lauf der Moldau und näherten uns der ehrwürdigen Karlsbrücke, jenem gotischen Wunderwerk aus dem 14. Jahrhundert. Die steinernen Bögen spannten sich kühn über den Fluss, flankiert von barocken Heiligenstatuen, die wie stille Wächter die Jahrhunderte überdauert hatten. Von hier aus stieg der Blick hinauf zur mächtigen Prager Burg, ein Ensemble aus Palästen, Kathedralen und Höfen, in dessen Herzen die gotische Veitsdom-Silhouette wie ein Fingerzeig zum Himmel ragte.

Unser Flug führte uns weiter zum Altstädter Ring, dem pulsierenden Herz der Stadt. Inmitten des Platzes thronte das Rathaus mit seiner berühmten astronomischen Uhr, die seit dem Jahre 1410 die Stunden schlägt und deren goldene Zeiger Planetenbahnen und Mondphasen in einem mechanischen Ballett darstellen. Gleich daneben leuchteten die Giebelhäuser in Pastellfarben, als würden sie mit sanftem Stolz die Geschichten von Kaufleuten, Königen und Revolutionären erzählen.

Vom Altstädter Ring schwenkten wir zum Wenzelsplatz, einer breiten Prachtstraße, wo sich die Fassaden der Belle Époque aneinanderreihten wie Perlen auf einer Kette. Einst war er Marktplatz für Pferde, heute ist er Bühne der Geschichte, Zeuge von Demonstrationen, Feierlichkeiten und Umbrüchen.

Wir glitten tiefer, schwebten über das Jüdische Viertel, wo die alten Synagogen – jede mit ihrer eigenen Geschichte – und der ehrwürdige Friedhof von einer anderen Zeit erzählten. Nicht weit davon stand das elegante Gemeindehaus, ein Jugendstiljuwel mit goldenen Ornamenten und gläserner Pracht, während der Pulverturm finster und stolz an die mittelalterliche Stadtbefestigung erinnerte.

Doch Prag ist nicht nur steinerne Geschichte – es lebt auch in der Musik. Hier erklangen die Töne Antonín Dvořáks, dessen Melodien den Geist Böhmens in die Konzertsäle der Welt trugen.

Hier dirigierte Mozart selbst und ließ 1787 im Ständetheater die Uraufführung seines Don Giovanni feiern – von den Pragern mit solcher Begeisterung aufgenommen, dass er die Stadt „meine geliebte“ nannte. Und hier entwarf Bedřich Smetana jene Tonfolge, die wie ein klingender Spiegel der Moldau ist – Má vlast, „Mein Vaterland“, mit dem unvergesslichen Satz Die Moldau.

„Prag“, sagte mein Gefährte leise, „ist keine Stadt, die man besucht. Es ist eine Stadt, die man liest – Seite für Seite, Turm für Turm, Note für Note.“

Wir ließen die Pedale langsam kreisen, folgten noch ein Stück dem silbernen Band der Moldau, und die Klänge Smetanas schienen im Fahrtwind mitzuschwingen. Dann trug uns das fliegende Fahrrad weiter – hinaus, zum nächsten Kapitel unserer Reise.

Reise um die Erde – Budapest – Königin an der Donau

Der Morgen dämmerte in blassen Goldtönen, als wir unser fliegendes Fahrrad erneut bestiegen. Die Pedale knarrten leise, die Schwingen unserer leichten Konstruktion entfalteten sich im Sonnenlicht wie die Flügel eines gigantischen Schmetterlings. Der Wind trug uns ostwärts, über Felder, Wälder, und den endlosen Spiegel der Donau, deren Wasser wie geschmolzenes Glas dahinfloss.

Bald erhob sich am Horizont eine Silhouette, die so majestätisch wirkte, dass man meinen konnte, eine Stadt aus Marmor und Musik schwebe auf dem Strom: Budapest, die unangefochtene Königin an der Donau.

Von Norden her kommend, bot sich uns ein Anblick, der selbst die kühnsten Erwartungen übertraf: Auf der einen Seite, hoch und würdevoll, das Burgviertel von Buda, mit der gotischen Matthiaskirche und der Fischerbastei, deren weiße Türme wie aus einem Märchenbuch Wellen aus Stein formten. Auf der anderen Seite, jenseits der Kettenbrücke, breitete sich Pest aus – pulsierend, elegant, gekrönt vom imposanten Parlamentsgebäude, dessen neugotische Fassaden im Morgendunst glühten wie von innen erhellt.

Wir kreisten einmal über der Kettenbrücke, diesem Meisterwerk aus Eisen und Stein, und spürten in den Seilen fast die Schwingung vergangener Jahrhunderte. Darunter zog die Donau träge, doch unermüdlich, und trennte – oder besser: verband – die beiden Hälften dieser einzigartigen Metropole.

Ich konnte nicht umhin, an jene Visionäre zu denken, die diese Stadt prägten: Könige, Architekten, Komponisten – und all jene stillen Träumer, die wie König Ludwig einst davon geträumt haben, die Welt aus der Luft zu sehen. Vielleicht, so dachte ich, hätte auch er hier verweilt, auf einem Balkon mit Blick auf den Strom, und sich vorgestellt, wie er in einer Maschine durch die Lüfte über die Dächer der Stadt gleitet.

Von oben war Budapest wie eine Partitur: das gleichmäßige Blau der Donau als tiefer Grundton, die Kuppeln und Türme als aufsteigende Melodielinien, das unruhige Straßenleben als sanftes Tremolo in der Ferne.

„Hier“, sagte mein Gefährte, während wir eine weite Schleife zogen, „hier tanzt Geschichte im Walzertakt, und jede Brücke ist ein Taktstrich zwischen den Jahrhunderten.“

So hielten wir einen Augenblick inne, ließen die Pedale ruhen und schwebten still über der Stadt.