Regen trommelt an das Fenster in Irgendwo – nicht heftig, aber beständig. Es ist usselig, der November zeigt sich wie ein alter Freund. Der Himmel hängt tief über dem Tal, und die Gleise glänzen matt, als hätten sie einen dünnen Film aus Erinnerung übergezogen bekommen. Das Wochenende steht vor der Tür, aber niemand eilt ihm entgegen. In Irgendwo nimmt man es wie es kommt: langsam, mit ruhiger Hand, mit einem stillen Nicken.
In der kleinen 3D-Design-Werkstatt, dort, wo der warme Schein der Schreibtischlampe einen goldenen Kreis auf die Tastatur malt, ist es wohlig warm. Der Regen draußen wird zum Rhythmus, der die Gedanken ordnet.
Und wie so oft in diesen stillen Stunden wandern die Gedanken zurück – zu diesem Trafohäuschen, diesem winzigen, fast unscheinbaren Bau. Noch immer sieht man die Spuren der Fingerabdrücke im Leim, die winzigen Unregelmäßigkeiten im Holz, und man spürt diese Mischung aus Stolz und leiser Überraschung, die jedes gelungen gebaute Detail mit sich bringt.

Heute steht es dort, an der Strecke, so selbstverständlich als wäre es schon immer da gewesen – und liefert den Strom, der Irgendwo zum Leben erweckt: für die Laternen am Bahnsteig, für das Summen der kleinen Motoren, für die Lichtkegel der Werkhalle. Doch es fehlt noch etwas. Man merkt es an kalten Tagen, wenn der Dampf schwer in der Luft hängt. Der Ort braucht Wasser – nicht nur für die Menschen, deren Eimer sich schnell leeren, sondern auch für die Dampfloks, die im Winter noch durstiger sind als im Sommer.
Ein Wasserturm muss her. Einer mit dem Gewicht alter Bahnromantik, mit ehrlicher Backsteinfassade, mit dieser ganz eigenen Mischung aus Zweckbau und heimlichem Wahrzeichen.
Vorbild ist der Wasserturm in Hennef-Heisterschoss, dessen Geschichte leise in den Ziegeln weiterlebt: Der große Speicherbehälter im oberen Teil des Turms wurde zwar längst stillgelegt und durch moderne Technik der Wasserversorgung ersetzt, doch die Form blieb – ein stummes Zeichen dafür, wie viel Vergangenheit ein Gebäude tragen kann, ohne seinem Zweck treu bleiben zu müssen.
Also sitzt man nun hier, am Laptop, während draußen die Wassertropfen gegeneinander antreten: manche rennen, manche rinnen langsam. Auf dem Bildschirm wächst Schritt für Schritt ein Gebäude, das sich an dieses Vorbild anlehnt.
Zuerst nur eine grobe Form, dann ein Quader, dann der Erker. In der Werkstatt nimmt das Modell langsam Gestalt an, wie ein Foto, das aus der Dunkelkammer auftaucht. Linien fügen sich zu Flächen, Flächen zu Wänden, Wände zu einem Turm, der in seiner Schlichtheit würdevoll wirkt, als wisse er längst, welchen Platz er in Irgendwo einnehmen wird.

Und während der Regen nicht nachlässt, sondern fein und geduldig gegen das Glas tickt, wächst das Gefühl, dass dies der richtige Moment ist: ein stiller Novembertag, eine dampfende Tasse Tee und das beruhigende Surren des Rechners, der die nächsten Platten berechnet.
Bald wird der Turm in die reale Werkstatt umziehen, in Holz und Karton und eine Prise Fantasie übersetzt werden. Und noch ein wenig später wird er in Irgendwo stehen – am Rand des Bahnhofs, wo die Loks anrollen, schwer atmend, durstig.
Usselwetter hin oder her: In Irgendwo entsteht immer etwas Neues. Und manchmal beginnt es mit nichts weiter als einem Regentropfen am Fenster.