Reise um die Erde – Leipzig – Stadt der Töne und Gedanken

Die Mittagssonne stand schon hoch, als wir Dresden hinter uns ließen und mit gleichmäßigem Tritt die Pedale unseres fliegenden Fahrrads bewegten. Der Fahrtwind war mild, die Landschaft weit und leicht gewellt – Felder, Wälder, Dörfer, verstreut wie Noten auf einem leeren Blatt. Schon aus der Ferne kündigte sich unser Ziel an: Leipzig, jene Stadt, in der Musik, Geist und Geschichte ein feines Gewebe bilden, gespannt über Jahrhunderte hinweg. Wir näherten uns aus südöstlicher Richtung, der Blick weit über die Dächer und Plätze, die wie Seiten eines ehrwürdigen Buches aufgeschlagen dalagen. Die Silhouette war weniger prunkvoll als Dresden, doch von einer anderen Art Schönheit – einer, die aus Ideen gebaut ist.

Im Westen sahen wir den imposanten Block des Gewandhauses, jenen Konzerttempel von Weltruf, in dem schon Mendelssohn dirigierte und wo heute noch der Klang der großen Sinfonien wie ein ewiger Strom pulsiert. Gleich daneben das Opernhaus, ein moderner Bau, der sich in klaren Linien zum Augustusplatz öffnet – eine Bühne für Dramen aus Klang und Bewegung.

Unser Flug senkte sich über die Altstadt, wo enge Gassen sich winden und alte Handelshöfe von Leipzigs glanzvoller Zeit als Messemetropole erzählen. Wir kreisten um die ehrwürdige Thomaskirche, jenen Ort, wo Johann Sebastian Bach als Thomaskantor wirkte, komponierte, unterrichtete, begraben liegt. Noch heute klingt aus dem Chor sein Werk, als wolle er selbst noch über die Jahrhunderte hinweg die Zügel der Musik führen.

Denkmal Johann Sebastian Bach Leipzig 2011

„Dies“, sagte mein Gefährte andächtig, „ist nicht einfach ein Ort. Es ist ein Zentrum der Schwingung, wo der Ton nicht erklingt – sondern entsteht.“

Wir fuhren weiter, über den Marktplatz, vorbei am alten Rathaus mit seiner prächtigen Renaissance-Fassade, und näherten uns dem Nikolaikirchhof, wo sich einst Menschen mit Kerzen versammelten – leise, standhaft, friedlich. Die Friedliche Revolution begann hier mit Gedanken, getragen von Hoffnung – und mündete in Wandel.

Doch Leipzig ist nicht nur Musik und Geschichte – es ist auch Bewegung, Verlagshaus, Universität, Messeplatz. Über den Dächern sahen wir die Glaskuppel der Universitätsbibliothek und das Völkerschlachtdenkmal, ein Mahnmal von gewaltiger Stille.

Wir zogen eine letzte Runde über die Stadt, die sich nun wieder in Bewegung setzte: Fahrräder auf dem Innenstadtring, Studierende auf Plätzen, Kinder, Stimmen, Glocken. Leipzig war nicht laut, nicht prunkvoll – aber tief.

„Eine Stadt wie ein Cello“, flüsterte ich. „Nicht schrill, nicht glänzend – aber mit einem Klang, der bleibt.“

Und so setzten wir unsere Reise fort – mit leichtem Tritt, durch die Luft, dem Abend entgegen.