Reise um die Erde – Salzburg

Die Alpen begleiteten uns weiter: als eisige Spur auf den Gipfeln, als Ahnung von Erhabenheit im weiten Blick. Das fliegende Fahrrad glitt, nun fast majestätisch, über weichere Höhenzüge hinweg – das Gras saftig, die Wälder tief, die Luft durchwirkt von ersten herbstlichen Noten. Dann – ein silberner Fluss, ein Kranz aus Türmen, eine steinerne Bühne inmitten von Bergen: Salzburg, die alte Erzbischofsstadt, ein Barockjuwel, aufgespannt zwischen Dom und Festung, zwischen Klang und Kontemplation.

Wir setzten zur Landung an – nicht auf einem Platz, sondern auf einer Terrasse nahe der Festung Hohensalzburg, jenem Bollwerk aus weißem Mauerwerk und dunklen Zinnen, das über der Stadt thront wie eine schlafende Wachtfigur aus der Romanik.²)

„Hier“, sagte mein Gefährte, als er sich aus dem Sitz erhob, „wurde nicht nur Geschichte verteidigt – hier wurde sie inszeniert.“

Von den Wehrgängen aus sahen wir die Kuppeln des Doms, glänzend wie emailliertes Kupfer, und darunter das Domquartier – eine Ordnung von Höfen, Galerien, Sälen, in denen sich Macht und Musik, Glaube und Geometrie begegnen. Der Dom selbst: ein Raum von strenger Pracht, das Licht fallend auf das Taufbecken, an dem ein Kind getauft wurde, das später als Wolfgangus Theophilus Mozart in die Ewigkeit eingehen sollte.³)

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Die Luft vibrierte. Nicht vom Lärm, sondern vom Echo – der stillen Erinnerung an Fugen, Sonaten, Kyrien. Wir folgten den verwinkelten Gassen talwärts, durch das Domviertel, das wie ein barockes Palimpsest wirkt – jedes Haus ein Satz, jeder Platz eine Pause, jeder Brunnen eine Fußnote der Zeit. Dann – wie durch ein verborgenes Portal – traten wir in die Getreidegasse ein. Enge, geschwungene Hausfassaden, eiserne Ladenschilder wie Notenschlüssel in Stein, und das Haus mit der Nummer 9: Mozarts Geburtshaus.

Ein schlichter gelber Bau, doch davor: eine unsichtbare Kuppel aus Bedeutung. Hier hatte das Wunder begonnen – nicht mit Pauken, sondern mit einem ersten, tastenden Griff auf den Tasten eines Clavichords.

Wir verweilten. Nicht aus Neugier, sondern aus Andacht. Und vielleicht, in diesem Moment, war es das erste Mal, dass unser Fahrrad sich nicht rührte. Als lauschte auch die Maschine.

„Mozart war kein Mensch der Erde“, sagte ich schließlich. „Er war ein Meteor, ein zärtlicher Zwischenfall zwischen Sternen.“

„Oder ein Bote“, erwiderte mein Gefährte, „der nicht den Himmel zeigen wollte – sondern ihn hörbar machen.“

Die Dämmerung fiel wie ein Vorhang. Wir stiegen wieder auf. Der Propeller erwachte mit einem zarten Klang, der wie ein gespielter Ton aus Eine kleine Nachtmusik durch die Gasse hallte.

Und so verließen wir Salzburg, getragen von Musik und Dämmerung, das Fahrrad nun weniger ein Fahrzeug als ein Instrument – auf dem wir weiterreisten, wie auf einer Partitur, deren letzter Takt noch nicht geschrieben war.


²) Festung Hohensalzburg, errichtet ab 1077, ausgebaut unter Fürsterzbischof Leonhard von Keutschach (15. Jh.). Eine der größten vollständig erhaltenen Burganlagen Europas.

³) W. A. Mozart, geboren 27. Januar 1756, Salzburg, in der Getreidegasse 9; getauft im Salzburger Dom am Folgetag. Frühzeichen eines Genius, dessen Wirkung bis heute nachhallt.