Die alte Dame vom Brohltal

Die Geschichte der Dampflok 11sm – Wer an einem klaren Morgen am Bahnhof in Brohl am Rhein steht, der hört sie schon von weitem. Ein dumpfes Stampfen, ein kehliges Fauchen, dann ein kräftiges Pfeifen. Kurz darauf rollt sie heran, die Dampflok 11sm – dunkelgrün, glänzend, majestätisch. Und doch wirkt sie, wenn sie langsam an den Bahnsteig zieht, fast ein wenig lebendig, als würde sie selbst tief Luft holen.

Gebaut wurde sie im Jahr 1906 in Köln-Kalk. Damals war sie die stärkste Lok der Brohltalbahn, eine echte Arbeitsmaschine, die ganze Züge voller Basalt, Holz und Menschen über die engen Kurven und steilen Rampen des Tals ziehen konnte. Mit ihrer besonderen Mallet-Bauart – zwei getrennte Fahrwerke, eines davon gelenkig – meisterte sie jede Biegung und jede Steigung.

„Die 11sm war die Königin im Tal“, erzählt ein älterer Anwohner, der noch als Junge am Bahndamm stand. „Wenn sie kam, wackelten die Fensterläden. Und wir Kinder sind jedes Mal barfuß hinterhergerannt, nur um sie noch ein Stück begleiten zu können.“

Abschied und Wiederkehr

Am 29. Januar 1966 fuhr die 11sm ihren letzten planmäßigen Zug. Diesel hatte den Dampf verdrängt, die Zukunft gehörte den moderneren Loks. Viele Menschen standen damals an der Strecke und winkten, manche mit feuchten Augen. Für viele im Tal war das Ende des Dampfbetriebs wie das Ende einer ganzen Epoche. Doch die Geschichte der 11sm sollte nicht dort enden. Sie überdauerte, während ihre Schwestern längst verschrottet waren. Eisenbahnfreunde der Interessengemeinschaft Brohltalbahn retteten sie – in einem Zustand, in dem andere längst aufgegeben hätten.

„Wir haben sie Stück für Stück wieder zum Leben erweckt“, erinnert sich ein Vereinsmitglied. „Manchmal hatten wir das Gefühl, sie wollte gar nicht mehr – und manchmal hat sie uns überrascht, als hätte sie selbst Sehnsucht nach der Schiene.“

Geschichten, die sie erzählt

Als die Lok nach fast 50 Jahren Pause im Mai 2015 wieder aus eigener Kraft fuhr, war es, als würde ein altes Talgeheimnis neu erwachen. Hunderte Menschen standen an der Strecke, applaudierten, filmten, manche hatten Tränen in den Augen. Besonders lebendig wirken bis heute einige mündlich überlieferte Anekdoten, die unter Eisenbahnfreunden und Anwohnern kursieren.

Eine davon erzählt von einem alten Mann am Bahnübergang in Oberzissen: Als die 11sm heranrollte, soll er seine Mütze gezogen und salutiert haben – wie vor einem alten Kameraden. Später habe er erklärt, er sei früher Heizer auf der Lok gewesen und hätte nie geglaubt, sie noch einmal unter Dampf zu erleben.

Eine andere Erzählung stammt von einer älteren Dame, die während einer Fahrt mit glänzenden Augen berichtete, wie sie als junges Mädchen zum ersten Mal mit der 11sm in die Stadt gefahren sei. Jahrzehnte später, wieder auf einer Holzbank im Wagen, habe sie gesagt: „Es ist, als wäre ich nie fort gewesen.“

Für beide Geschichten gilt: Sie sind nicht durch schriftliche Primärquellen belegt, sondern gehören zum reichen Schatz an Erinnerungen, die sich rund um die 11sm im Brohltal erhalten haben. Sie spiegeln, wie sehr die Lok über Generationen hinweg in das Leben der Menschen eingebettet war – und wie stark sie bis heute Emotionen weckt.

Heute – ein lebendiges Denkmal

Heute zieht die 11sm regelmäßig den „Vulkan-Expreß“. Wenn sie durch das Brohltal schnauft, winken Kinder begeistert, Radfahrer halten an, und Autofahrer lassen die Fenster herunter, nur um den Duft von Kohle und Öl einzuatmen. Sie ist längst mehr als ein technisches Relikt. Sie ist das Herz der Bahn, ein Publikumsliebling – und ein Symbol dafür, wie viel Geschichte in einer Lok stecken kann.

Denn jede Fahrt mit ihr ist nicht einfach nur eine Zugfahrt. Sie ist ein Stück Zeitreise – zurück in eine Ära, in der Dampf und Stahl die Welt bewegten.

Und solange die 11sm schnaufend ihre Strecke erklimmt, wird das Brohltal immer auch ein Tal voller Geschichten bleiben.


Quellenverzeichnis
  • AW-Wiki: „Mallet-Lokomotive 11sm“. https://www.aw-wiki.de/index.php/Mallet-Lokomotive_11sm
  • Lok-Report: „Die Brohltalbahn“. https://www.lok-report.de/news/deutschland/museum/item/3042-die-brohltalbahn.html
  • Blick aktuell: „Nach 48 Jahren wieder unter Dampf“ (2015). https://www.blick-aktuell.de/Berichte/Nach-48-Jahren-wieder-unter-Dampf-120028.html
  • Wikipedia: „Brohltalbahn“. https://de.wikipedia.org/wiki/Brohltalbahn
  • Interessengemeinschaft Brohltal-Schmalspurbahn e. V.: Vereinsberichte, Chronik und Projektseiten (2015–2025) https://vulkan-express.de

Hinweis zu Anekdoten:
Die Geschichten vom alten Mann am Bahnübergang in Oberzissen sowie von der älteren Dame, die als junges Mädchen mit der 11sm fuhr, sind mündlich überliefert. Sie sind in den bisher verfügbaren Quellen nicht schriftlich dokumentiert, sondern entstammen Erzählungen von Anwohnern und Eisenbahnfreunden im Umfeld der Brohltalbahn.

Brohltalbahn – Der Fahrkartenautomat

Eisenbahnromatik – längst vergangene Zeiten – Die Brohltalbahn, auch bekannt als Vulkan-Expreß, gehört zu den letzten noch aktiven Schmalspurbahnen in Rheinland-Pfalz. Ausgangspunkt der romantischen Fahrt ist der historische Bahnhof Brohl-Lützing am Rhein. Hier beginnt die Reise in eine längst vergangene Epoche der Eisenbahngeschichte.

Schon vor der Abfahrt gibt es viel zu entdecken: In der kleinen Fahrkartenausgabe erhält man die traditionelle Pappfahrkarte, die noch ganz klassisch von einem alten Fahrkartenautomaten ausgegeben wird – ein mechanisches Wunderwerk, voller Eigenheiten und kleiner Launen. Der Moment der Fahrkartenausgabe lässt die Herzen von Eisenbahnfreunden höher schlagen, auch wenn nicht immer alles sofort reibungslos klappt. Doch niemand hat es hier eilig – Gäste und Eisenbahnpersonal genießen gemeinsam das Erlebnis und freuen sich, dass diese Tradition bis heute bewahrt wurde. Erwachsene wie Kinder halten ihre Fahrkarte voller Begeisterung in den Händen, wie einen Schlüssel zu einer anderen Welt, die in eine Zeit voller Charme und Romantik führt.

Im Bahnhofsgebäude lädt der Weichensteller zum Staunen ein: Mit kräftigen Hebeln werden – wie einst – die Fahrwege für die Züge gestellt. Hier wird Technik nicht nur gezeigt, sondern erlebbar gemacht.

Draußen schließlich wartet sie – die majestätische Mallet-Dampflok. Mit kräftigen Schlägen und dampfenden Zylindern setzt sie sich in Bewegung und zieht den Zug durch das idyllische Brohltal hinauf nach Engeln in der Eifel. Sie kämpft sich über Steigungen, fährt über Viadukte, schlängelt sich durch Wälder und vorbei an bizarren Vulkanlandschaften.

Jede Fahrt wird so zu einer kleinen Zeitreise – zu einem unvergesslichen Erlebnis für Groß und Klein.

Er ist ein rollendes Museum, das die Magie der Eisenbahnromantik lebendig werden lässt.


Heimwärts zum Strom – Die Rückkehr der Mallet

Der Bahnhof Oberzissen liegt still in der Mittagssonne. Ein leichter Dampfrest steigt aus dem Schornstein der Mallet 11sm – nicht mehr das energische Atmen vom Morgen, sondern ein gemächlicher Ausklang, wie ein Reisender, der seine Geschichten ordnet. Die Waggons warten, Türen stehen offen, Stimmen mischen sich mit dem metallischen Klirren von Werkzeug im Führerstand.

Mit einem sanften, aber bestimmten Pfiff ruft die Lokomotive ihre Gäste zurück an Bord. Die Kupplung strafft sich, das Fahrwerk beginnt zu arbeiten, und langsam rollen wir wieder talwärts. Das Ticken der Räder auf den Schienen wirkt nun gleichmäßiger, gelöster – bergab ist die Kraft der Lok nicht weniger spürbar, doch sie zeigt sich in einer zurückgenommenen Eleganz. Hinter Oberzissen öffnet sich die Landschaft in weite Felder. Die Eifelhöhen liegen im Rücken, und das Licht bricht sich in den Glasflächen der Wagenfenster. In Niederzissen begrüßt uns der kleine Bahnhof wie ein freundlicher Zwischenstopp – Fachwerkhäuser, Blumenkästen, eine kurze Welle von Passanten am Bahnsteig. Die Lok zischt leise, als wolle sie geduldig warten, bevor es weitergeht.

Die Strecke folgt dem Brohlbach, der nun gemächlich neben uns fließt. Bäume spenden Schatten, zwischen den Ästen blitzen Mauerreste alter Mühlen. Bald taucht am Horizont die Silhouette der Burgruine auf, die Burgbrohl ihren Namen gab. Hier, im gleichnamigen Ort, hält der Zug erneut. Einst pulsierte der Bahnhof vom Güterverkehr – Basalt, Tuffstein, landwirtschaftliche Produkte. Heute sind es Kameras, Lächeln und Kinderhände, die winken.

Je näher wir dem Rhein kommen, desto stärker verändert sich die Szenerie: Aus den engen, grünen Schleifen des Brohltals treten wir hinaus in ein offenes Licht. Weinberge ziehen sich die Hänge hinunter, in der Ferne ahnt man bereits den silbrigen Schimmer des Flusses. Die Mallet atmet noch einmal kräftig aus – ein letzter Ausstoß weißen Dampfes, als wollte sie den gesamten Tag in einer Geste zusammenfassen. Mit einem sanften Ruck rollen wir in den Bahnhof Brohl-Lützing ein. Der Rhein liegt nur wenige Schritte entfernt, schwer und majestätisch in seinem Bett. Die Lokomotive wird gelöst, die Wagen geleert, und langsam kehrt Ruhe ein.

Doch für die, die mitgefahren sind, klingt die Reise nach: das rhythmische Stampfen der Zylinder, der Duft von Kohle und Schmieröl, das Glitzern des Wassers zwischen den Schienen. Die Brohltalbahn hat uns heimgebracht – und zugleich ein Stück weiter getragen, dorthin, wo Technik und Landschaft, Geschichte und Gegenwart in einer einzigen Fahrt verschmelzen.