Heimwärts zum Strom – Die Rückkehr der Mallet

Der Bahnhof Oberzissen liegt still in der Mittagssonne. Ein leichter Dampfrest steigt aus dem Schornstein der Mallet 11sm – nicht mehr das energische Atmen vom Morgen, sondern ein gemächlicher Ausklang, wie ein Reisender, der seine Geschichten ordnet. Die Waggons warten, Türen stehen offen, Stimmen mischen sich mit dem metallischen Klirren von Werkzeug im Führerstand.

Mit einem sanften, aber bestimmten Pfiff ruft die Lokomotive ihre Gäste zurück an Bord. Die Kupplung strafft sich, das Fahrwerk beginnt zu arbeiten, und langsam rollen wir wieder talwärts. Das Ticken der Räder auf den Schienen wirkt nun gleichmäßiger, gelöster – bergab ist die Kraft der Lok nicht weniger spürbar, doch sie zeigt sich in einer zurückgenommenen Eleganz. Hinter Oberzissen öffnet sich die Landschaft in weite Felder. Die Eifelhöhen liegen im Rücken, und das Licht bricht sich in den Glasflächen der Wagenfenster. In Niederzissen begrüßt uns der kleine Bahnhof wie ein freundlicher Zwischenstopp – Fachwerkhäuser, Blumenkästen, eine kurze Welle von Passanten am Bahnsteig. Die Lok zischt leise, als wolle sie geduldig warten, bevor es weitergeht.

Die Strecke folgt dem Brohlbach, der nun gemächlich neben uns fließt. Bäume spenden Schatten, zwischen den Ästen blitzen Mauerreste alter Mühlen. Bald taucht am Horizont die Silhouette der Burgruine auf, die Burgbrohl ihren Namen gab. Hier, im gleichnamigen Ort, hält der Zug erneut. Einst pulsierte der Bahnhof vom Güterverkehr – Basalt, Tuffstein, landwirtschaftliche Produkte. Heute sind es Kameras, Lächeln und Kinderhände, die winken.

Je näher wir dem Rhein kommen, desto stärker verändert sich die Szenerie: Aus den engen, grünen Schleifen des Brohltals treten wir hinaus in ein offenes Licht. Weinberge ziehen sich die Hänge hinunter, in der Ferne ahnt man bereits den silbrigen Schimmer des Flusses. Die Mallet atmet noch einmal kräftig aus – ein letzter Ausstoß weißen Dampfes, als wollte sie den gesamten Tag in einer Geste zusammenfassen. Mit einem sanften Ruck rollen wir in den Bahnhof Brohl-Lützing ein. Der Rhein liegt nur wenige Schritte entfernt, schwer und majestätisch in seinem Bett. Die Lokomotive wird gelöst, die Wagen geleert, und langsam kehrt Ruhe ein.

Doch für die, die mitgefahren sind, klingt die Reise nach: das rhythmische Stampfen der Zylinder, der Duft von Kohle und Schmieröl, das Glitzern des Wassers zwischen den Schienen. Die Brohltalbahn hat uns heimgebracht – und zugleich ein Stück weiter getragen, dorthin, wo Technik und Landschaft, Geschichte und Gegenwart in einer einzigen Fahrt verschmelzen.

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Reise um die Erde – Leipzig – Stadt der Töne und Gedanken

Die Mittagssonne stand schon hoch, als wir Dresden hinter uns ließen und mit gleichmäßigem Tritt die Pedale unseres fliegenden Fahrrads bewegten. Der Fahrtwind war mild, die Landschaft weit und leicht gewellt – Felder, Wälder, Dörfer, verstreut wie Noten auf einem leeren Blatt. Schon aus der Ferne kündigte sich unser Ziel an: Leipzig, jene Stadt, in der Musik, Geist und Geschichte ein feines Gewebe bilden, gespannt über Jahrhunderte hinweg. Wir näherten uns aus südöstlicher Richtung, der Blick weit über die Dächer und Plätze, die wie Seiten eines ehrwürdigen Buches aufgeschlagen dalagen. Die Silhouette war weniger prunkvoll als Dresden, doch von einer anderen Art Schönheit – einer, die aus Ideen gebaut ist.

Im Westen sahen wir den imposanten Block des Gewandhauses, jenen Konzerttempel von Weltruf, in dem schon Mendelssohn dirigierte und wo heute noch der Klang der großen Sinfonien wie ein ewiger Strom pulsiert. Gleich daneben das Opernhaus, ein moderner Bau, der sich in klaren Linien zum Augustusplatz öffnet – eine Bühne für Dramen aus Klang und Bewegung.

Unser Flug senkte sich über die Altstadt, wo enge Gassen sich winden und alte Handelshöfe von Leipzigs glanzvoller Zeit als Messemetropole erzählen. Wir kreisten um die ehrwürdige Thomaskirche, jenen Ort, wo Johann Sebastian Bach als Thomaskantor wirkte, komponierte, unterrichtete, begraben liegt. Noch heute klingt aus dem Chor sein Werk, als wolle er selbst noch über die Jahrhunderte hinweg die Zügel der Musik führen.

Denkmal Johann Sebastian Bach Leipzig 2011

„Dies“, sagte mein Gefährte andächtig, „ist nicht einfach ein Ort. Es ist ein Zentrum der Schwingung, wo der Ton nicht erklingt – sondern entsteht.“

Wir fuhren weiter, über den Marktplatz, vorbei am alten Rathaus mit seiner prächtigen Renaissance-Fassade, und näherten uns dem Nikolaikirchhof, wo sich einst Menschen mit Kerzen versammelten – leise, standhaft, friedlich. Die Friedliche Revolution begann hier mit Gedanken, getragen von Hoffnung – und mündete in Wandel.

Doch Leipzig ist nicht nur Musik und Geschichte – es ist auch Bewegung, Verlagshaus, Universität, Messeplatz. Über den Dächern sahen wir die Glaskuppel der Universitätsbibliothek und das Völkerschlachtdenkmal, ein Mahnmal von gewaltiger Stille.

Wir zogen eine letzte Runde über die Stadt, die sich nun wieder in Bewegung setzte: Fahrräder auf dem Innenstadtring, Studierende auf Plätzen, Kinder, Stimmen, Glocken. Leipzig war nicht laut, nicht prunkvoll – aber tief.

„Eine Stadt wie ein Cello“, flüsterte ich. „Nicht schrill, nicht glänzend – aber mit einem Klang, der bleibt.“

Und so setzten wir unsere Reise fort – mit leichtem Tritt, durch die Luft, dem Abend entgegen.

Durch Vulkanland – Die Fahrt ins Brohltal

Ein kurzer, letzter Pfiff – und die Räder der Mallet setzen sich kraftvoll in Bewegung. Die sanfte Vibration der Lokomotive überträgt sich auf die Wagen, das Fenster klappert leise, während sich der Zug aus dem Bahnhof Brohl-Lützing löst. Hinter uns gleitet der Rhein davon, ein schimmerndes Band in der Ferne. Vor uns öffnet sich ein anderes Reich: das Brohltal – geheimnisvoll, uralt, von Feuer und Wasser geformt.

Die Brohltalbahn, im Volksmund liebevoll auch „Vulkan-Express“ genannt, klettert auf schmaler Spur durch eine Landschaft, in der die Geologie Geschichten schreibt. Mit nur 1000 Millimetern Spurweite nimmt sie enge Kurven mit einer Eleganz, die an Bergziegen erinnert. Die Dampflokomotive 11sm, gebaut 1906 von der Maschinenfabrik Jung, ist eine sogenannte Mallet-Lok – ihre gelenkige Bauweise ermöglicht es, auch durch die krümmungsreichsten Abschnitte des Tals zu dampfen. Zwei Dampfzylinderpaare treiben unabhängig die beiden Fahrgestelle an – Technik mit Gefühl, die auf schwerem Gelände tanzt.

Bald taucht der Zug ein in die Schlucht des Brohlbachs. Steile Hänge erheben sich links und rechts, durchzogen von dichten Laubwäldern. Moos bedeckt die Felsen, zwischen Astwerk flackert das Licht. Der Duft von feuchter Erde mischt sich mit dem scharfen Rauch der Lok, der aus dem Schornstein aufsteigt und hinter den Wagen in der Luft verfliegt wie eine Erinnerung.

Die Bahn folgt dem Lauf des Brohlbachs, überquert Brücken, durchfährt kurze Einschnitte, streift kleine Dörfer wie Tönisstein und Bad Tönisstein, wo einst ein berühmtes Heilbad lag. Nur noch Ruinen erzählen davon. Die Lok stampft weiter, vorbei an Wiesen, an grasenden Kühen, vorbei an Lavabergen und Basaltkegeln – stille Zeugen einstiger Ausbrüche.

Brohltalbahn auf Viadukt

Langsam gewinnt der Zug an Höhe. Der Dampf zischt unter Volldruck, in regelmäßigem Takt arbeiten die Schieber und Kolben. Die Steigung beträgt stellenweise bis zu 4 Prozent – eine Herausforderung für jede Lok, doch die 11sm meistert sie mit Würde. Man hört sie arbeiten, spürt, wie die Technik in ihrem Innersten lebt.

Empfangsgebäude Bahnhof Burgbrohl

In Burgbrohl ist ein kurzer Halt – genug Zeit für einen Gruß aus dem Fenster, ein Lächeln zurück. Dann weiter. Der Zug windet sich durch die Felder, vorbei an Obstwiesen und kleinen Höfen. Die Eifel öffnet sich wie ein altes Buch: Mit jedem Kilometer lesen wir darin, in Vulkanasche und Weinreben, in kleinen Kapellen und verlassenen Steinbrüchen.

Der Zug nähert sich seinem Ziel – Oberzissen, Endpunkt der regulären Dampffahrt, auf 216 Metern über dem Meeresspiegel. Die Räder singen auf den letzten Metern ein langsames Lied, die Dampfschwaden werden weniger. Mit einem sanften Ruck kommt der Zug zum Stehen.

Die Mallet atmet aus. Es zischt, es klopft leise. Aus dem Führerstand steigt ein Rußgeruch empor, durchmischt mit Wärme und Zeit. Die Reisenden steigen aus, doch keiner geht sofort weiter – denn jeder weiß: Wer hier ankommt, trägt etwas mit sich fort.